Wässerwiesen

Pretzfelder Wässerwiesen wiederentdeckt

Wer im Raum Pretzfeld zu Fuß unterwegs ist, kann seit einigen Wochen etwas neu entdecken. Eigentlich ist es nicht wirklich neu, sondern ein seit langer Zeit bestehendes Element der reichen historischen Kulturlandschaft rund um Pretzfeld. Die Rede ist von den Pretzfelder Wässerwiesen. Im Rahmen eines Projektes der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf haben sich vier Teilnehmer einer Ausbildung zu ehrenamtlichen Kulturlandschaftsbeauftragten über Monate intensiv mit der historischen Wiesenbewässerung beschäftigt. Das Ergebnis ihrer Arbeit kann man nun in Form von sechs Infotafeln an drei Standorten rund um Pretzfeld sehen. Natürlich waren Edwin Dippacher (Heroldsbach), Hans Müller (Obertrubach), Ingrid Saal (Wiesenttal) und Lutz Wagner (Ebermannstadt) bei ihrer Arbeit auf die Mithilfe von lokalen Pretzfelder Akteuren angewiesen. Diese Mithilfe wurde ihnen aus dem Rathaus, vom örtlichen Bauhof und ganz besonders vom Pretzfelder Heimatforscher Hermann Bieger zuteil. Dieser hat wesentliche Informationen zur Geschichte der Wiesenbewässerung um Pretzfeld beigetragen und bei einer Fotoausstellung im Rahmen der örtlichen Kärwa mobile Versionen der Infotafeln zusammen mit materiellen Relikten der Bewässerungsanlagen ausgestellt. Im Pretzfelder Rathaus und in den Fremdenverkehrsbüros der umliegenden Gemeinden wird in Kürze auch ein Flyer ausliegen, der die Position der Infotafeln und grundlegende Informationen zu den Wässerwiesen vermittelt.

Die Wiesenbewässerung ist eine traditionelle Maßnahme zur Erzielung höherer landwirtschaftlicher Erträge. Die früheste Nutzung des Wassers für die Landwirtschaft bestand im Ausnutzen periodischer Überschwemmungen im Jahresrhythmus, die fruchtbare Böden hinterließen. Doch der menschliche Erfindergeist war damit nicht zufrieden und versuchte, durch bauliche Maßnahmen die Fließrichtung von Gewässern zu verändern und ihren Nutzeffekt dadurch auf größere Flächen auszuweiten. Spuren dieser kulturtechnischen Leistung lassen sich bis heute in ganz Europa finden. Im Raum Pretzfeld wurden Wiesent und Trubach schon seit dem Mittelalter zur Bewässerung von Wiesen genutzt.

Im zeitigen Frühjahr können durch Bewässerung zarte Gräser vor der Zerstörung durch Spätfröste geschützt werden. Im Sommer ersetzt die Bewässerung mangelnden Regen. Eine Herbstbewässerung kann durch die Ablagerung der im Wasser mitgeführten Schwebstoffe düngend wirken. Dieser Effekt fällt durch die Nährstoffarmut von Wiesent und Trubach im Pretzfelder Raum allerdings eher gering aus. Durch Winterbewässerung können tierische und pflanzliche Schädlinge beseitigt werden.

Die zunehmende Mechanisierung der heutigen Landwirtschaft, der Einsatz von Kunstdünger und die Neuordnung von Fluren haben dazu geführt, dass aktive Wiesenwässerung nur noch vereinzelt betrieben wird und die dazu benötigten Anlagen verfallen oder aktiv beseitigt werden. Damit verschwindet leider ein historisch wertvolles Element aus unserer Kulturlandschaft, die uns an unser gemeinsames Erbe regionaler Identität erinnert.

Der Mensch hat die ihn umgebende Landschaft durch Nutzung und Kultivierung über Jahrhunderte geprägt. Deshalb sehen wir heute in unserer Umgebung keine ursprünglichen Naturlandschaften mehr, sondern vielfältige Kulturlandschaften. An ihren charakteristischen Eigenarten lassen sie sich voneinander unterscheiden und die Geschichte der in einer Landschaft lebenden Menschen nachvollziehen.

Nachdem bauliche Maßnahmen und die intensivierte Flächennutzung seit dem letzten Jahrhundert historische Elemente in der Landschaft zunehmend zerstören, ist ihre identitätsstiftende Wirkung bedroht. An diesem Punkt setzt die Ausbildung von ehrenamtlichen Kulturlandschaftsbeauftragten an. Auf diesem Weg sollen Bürger in den Schutz und die sinnvolle Weiterentwicklung ihrer lokalen Kulturlandschaften eingebunden werden. In Projekten wie dem zu den Pretzfelder Wässerwiesen sollen sie über historische Kulturlandschaftselemente informieren und die Mitbürger zum sorgsamen Umgang mit ihnen anregen. Weitere Informationen über das Ausbildungsprojekt und seine Fortführung sind im Internet zu finden (www.kulturlandschaftskompetenz.de).

Lutz Wagner (Fotos Hermann Bieger)